Der Regenstein, ein Broschüre von H. Dr. Bürger aus Osterwieck von 1905
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W. Körner/ Oktober 2018
Der Regenstein bei Blankenburg/Harz.
Seine Geschichte und Beschreibung seiner Ruinen.
Von
Dr. K. Bürger, Oberlehrer.
Osterwieck/Harz.
Verlag von A. W. Zickfeldt.
Vorwort.
Das vorliegende Büchlein war ursprünglich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Es ist entstanden, um einem in nur wenigen Exemplaren hergestellten photographischen Prachtwerke über den Regenstein zur Einführung und Erklärung" beigegeben zu werden. Als aber nach erfolgter Drucklegung der Wunsch ausgesprochen wurde, daß es zu Nutz und Frommen der zahlreichen Freunde und Besucher des Regensteins veröffentlicht werden möge, habe ich mich gern dazu bereit erklärt.
Die Schrift beruht naturgemäß in der Hauptsache auf bekannten und gedruckten Quellen. Ich nenne vor allem Leibrocks Chronik von Blankenburg und Regenstein, Steinhoffs Regenstein und die Beschreibung des Regensteins in Dörings Beschreibung der Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Halberstadt, sowie die in der Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde erschienenen Aufsätze von Köcher „Der preußisch-welfische Hoheitsstreit um die Harzgrafschaft Regenstein“ und von Jacobs „Ulrich XL, Graf von Regenstein“. Doch stand mir daneben auch mancherlei ungedrucktes Material zu Gebote.
Zunächst hatte ich durch die Freundlichkeit des Herrn Major a. D. Liebing in Blankenburg Gelegenheit, die Notizen zu benutzen, die der hier verstorbene Major Ribbentrop in einem langen Ruhestande, der fast ganz der Erforschung des Regensteins gewidmet war, in mühevoller Arbeit zusammengebracht und in einem handschriftlichen Bande vereinigt hat. Daneben beruht manches auf eigenen Studien in den Archiven von Magdeburg und Berlin, so vor allem die Darstellung des preußisch-braunschweigischen Hoheitsstreites. Ich hoffe, daß dieser Abschnitt nicht bloß den Geschichtsfreunden, sondern auch den Geschichtskundigen manches Neue bringen wird. Allein bestimmt ist die Schrift in erster Linie für den Geschichtsfreund; ihn will sie instand setzen, bei dem Besuche des Regensteins sich über dessen Geschichte und jetzige Beschaffenheit so zu unterrichten, daß er für seine Betrachtung das rechte Interesse und die nötige Stimmung gewinnt. Zu diesem Zwecke habe ich mich bemüht, alles gleichgültige und ermüdende Detail wegzulassen und aus der Geschichte des Regensteins nur das zusammenzustellen, was wirklich für jeden Gebildeten interessant sein muß. Auch der Verleger hat das Seinige dazu getan und den Preis so billig wie möglich auf nur 50 Pfg. angesetzt. Ich will wünschen und hoffen, daß die Schrift diesem Zwecke einigermaßen entspreche und bei recht vielen ihrer Leser Interesse und Freude an unserem Regenstein und seiner reichen Geschichte erwecken möge.
Blankenburg a. H, im September 1905.
Dr. K. Bürger.
Inhalt
Seite
Vorwort
Einleitung
Der Regenstein in der prähistorischen Zeit Grafenburg, als Ruine, unter braunschweigischer Herrschaft
Streitigkeiten über den Regenstein zwischen
Braunschweig und Halberstadt
zwischen Braunschweig und Brandenburg
Der Regenstein als brandenburgische Festung
seit seiner Schleifung
Beschreibung der Ruinen der Grafenburg
der Festung
Der Regenstein oder Reinstein ist ein Teil des Sandsteinzuges, der von Blankenburg bis Ballenstedt in einer durchschnittlichen Entfernung von 3/4 Meile dem eigentlichen Harze vorgelagert ist.
Während er nach Süden nach Blankenburg zu sich ziemlich allmählich zur Ebene herabsenkt, zeigt er nach Norden einen sehr schroffen, vielfach fast senkrechten Abfall und macht dadurch trotz seiner verhältnismäßig geringen absoluten Höhe von 260 m
einen außerordentlich imposanten Eindruck. Wahrscheinlich hängt damit auch sein Name zusammen, dessen erster Bestandteil wohl mit Recht mit dem altdeutschen Worte ragin = hochragend zusammengebracht worden ist. Da er sich mitten aus der Ebene frei erhebt, bietet sein Plateau eine vortreffliche Rundsicht und gehört deshalb zu den beliebtesten Aussichtspunkten des Harzes. Was ihm aber unter diesen allen eine ganz besondere Stellung anweist, ist seine historische Bedeutsamkeit. Zweimal im Verlaufe der Jahrhunderte haben hier für ihre Zeit gewaltige Festungs-Anlagen gestanden, die bestimmt waren, weithin die Gegend zu beherrschen und in Schach zu halten ; und wenn davon jetzt auch nur noch kümmerliche Reste erhalten sind, so sind diese doch immer noch bedeutend genug, um das Auge des Besuchers zu fesseln und Interesse für ihre Geschichte zu erwecken.
Der Sandstein, aus dem der Regenstein besteht, ist sehr porös, er enthält daher ebenso wie der Felsen bei Langenstein und die Klusberge bei Halberstadt eine Menge natürlicher Höhlen, die bei der geringen Konsistenz des Steines sich ohne Schwierigkeit künstlich erweitern ließen. Diese Eigentümlichkeit mag es mit bewirkt haben, daß der Regenstein schon in prähistorischer Zeit als Wohn- und Zufluchtsort vielfach benutzt wurde; wenigstens weist darauf der Umstand hin, daß auf seinem Plateau sich zahlreiche Urnen und Knochenreste gefunden wurden. Auch im Mittelalter mußte diese Beschaffenheit des Berges mit seinen steilen Abhängen und weiten Felsenhöhlen ihn zur Anlage einer Burg besonders geeignet erscheinen lassen.
In der Tat weiß eine alte Chronik zu berichten, daß schon im Jahre 479 ein edler Sachse Hatebold sich auf dem Regenstein angesiedelt und zuerst Graf von Regenstein genannt habe. Leider ist das reine Sage und die wirklich geschichtliche Kunde über den Regenstein beginnt erst beträchtlich später.
Das älteste Zeugnis vom Bestande der Burg bietet uns der Berg selbst; es ist die berühmte Inschrift vor dem sagenumsponnenen Teufelsloch. Das Teufels- oder Heidenloch ist eine jetzt als Kohlenkeller benutzte Kasematte außerhalb des eigentlichen Burgfelsens, ziemlich genau unterhalb des alten Bergfrits gelegen. Merian in seiner Topographie der Herzogtümer Braunschweig und Lüneburg weiß darüber folgendes zu berichten: „Vor einem Gewölbe, das Teuffelsloch darumb genannt, daß das Gespenst unten in demselben fort für fort frische Steine bricht, stehen diese Worte mit alten römischen Ziffern: ANNO MXC DIE ANN.^E“. Bei der Demolierung der Festung unter Friedrich dem Großen war mit der ganzen Kasematte auch diese Inschrift verschüttet worden und von späteren wurde daher ihre Existenz vielfach angezweifelt; im Jahre 187 1 ist sie aber bei Aufräumungsarbeiten die der damalige Wirt vornahm, wieder zum Vorschein gekommen. Wie man sich jetzt überzeugen kann, befindet sie sich an der rechten Eingangswand jener Kasematte und zwar in doppelter Ausführung, unten in deutlichen Majuskeln, darüber in langgezogenen, ziemlich ungeschickten und schon sehr verwitterten Minuskeln. Nach dem Urteile der Sachverständigen ist letztere älter als erstere, kann aber auch nur höchstens aus dem Ende des 18. Jahrhunderts stammen, während jene etwa der Grenze des 16. und 17. Jahrhunderts angehören soll. Ist dies richtig, so wird man wohl annehmen dürfen, daß die jüngere Inschrift die ältere, als sie undeutlich geworden war, hat ersetzen sollen, daß aber auch jene ältere nicht die ursprüngliche ist, sondern auch nur eine aus ähnlichen Gründen an deren Stelle eingehauene Ersatzinschrift. Denn die ursprüngliche Inschrift muß selbstverständlich jenem Datum ungefähr gleichzeitig und bestimmt gewesen sein, die Erinnerung an irgendein Ereignis zu erhalten, das am Annentage (d. i. dem 26.Juli) 1090 stattgefunden hat.
Was das gewesen ist, wird uns freilich trotz aller Phantasien alter und neuer Chronisten immer verborgen bleiben. Am wahrscheinlichsten ist es, daß irgend ein Teil der Burg oder diese im ganzen an diesem Tage vollendet worden ist. Man würde dann in dem Jahre 1090 ein festes Datum für die Entstehung der Burg gewinnen, und damit würde auch der Umstand aufs beste zusammen stimmen, daß in den Sachsenkriegen Heinrichs IV., in denen so viele in der Nähe gelegene Burgen, wie die Heimburg und Harzburg, eine große Rolle gespielt haben, vom Regenstein noch nirgends die Rede ist, während er dann im folgenden Jahrhundert bald bedeutungsvoll hervortritt.
Im 12. Jahrhundert tritt nämlich unsere Gegend endlich in das volle Licht der Geschichte. Im ersten Viertel des 12.Jahrhunderts belehnte der Herzog Lothar von Sachsen, der spätere Kaiser, seinen Verwandten Poppo mit seinen Erb- und Halberstädtischen Lehnsgütern im Harzgau. Poppo nahm auf der Blankenburg seinen Wohnsitz und nannte sich zuerst Graf von Blankenburg. Zwei seiner Söhne, Siegfried und Konrad, teilten sich in die väterlichen Besitzungen so, daß Siegfried den einen Teil mit Blankenburg als Grafschaft Blankenburg erhielt, Konrad den anderen, auf dem Regenstein seinen Wohnsitz nahm und sich Graf von Regenstein nannte. Beide Grafen waren eifrige Anhänger ihres Lehnsherrn Heinrichs des Löwen und wurden auch in seinen Sturz verwickelt. Als der Kaiser Friedrich Barbarossa 1181 gegen den Herzog heranzog, blieb Siegfried dem Herzoge treu und verteidigte sich auf der Blankenburg aufs tapferste fast ein Jahr lang, schließlich mußte er sich aber doch ergeben und wurde mit seinen beiden Söhnen in die Gefangenschaft geführt, aus der ihn wahrscheinlich erst der Tod erlöste. Konrad dagegen scheint von vornherein an einem glücklichen Ausgange verzweifelt zu haben; er übergab seine Burg ohne Schwertstreich den Kaiserlichen und zog sich aus Kummer in das nahe liegende, etwa 40 Jahre vorher gegründete Kloster Michaelstein zurück, wo er noch 1197 als Laienbruder erwähnt wird.
Nachdem wieder Friede eingetreten war, vereinigten des Grafen Siegfried Söhne, Siegfried und Heinrich, wie es scheint, nach gütlicher Vereinbarung mit ihren Vettern, seit 1186 wieder den gesamten Besitz Poppos. Sie regierten zuerst gemeinschaftlich, teilten aber um 1190 ihr Gebiet von neuem und begründeten so endgültig die beiden Linien Blankenburg und Reinstein. Siegfried regierte von Blankenburg aus das Gebiet von Hasselfelde und Stiege über Blankenburg bis Westerhausen und Warnstedt, während Heinrich vom Regenstein aus über das ganze Vorland des Harzes von Börnecke und Heimburg über Derenburg und Benzingerode bis nach Wernigerode hin gebot. Die Reinsteiner Linie zerfiel dann durch eine neue Teilung, die Heinrichs Söhne Siegfried und Ulrich vornahmen, in die beiden Linien Reinstein-Reinstein und Reinstein - Heimburg, indem für Ulrich und seine Nachkommen Schloß Heimburg mit Umgebung, besonders Benzingerode und Börnecke ausgeschieden wurden. Übrigens waren diese Teilungen der Machtstellung des Geschlechtes nicht weiter schädlich. Die verwandten Linien hielten im allgemeinen treu zusammen, und da es der am kärglichsten ausgestatteten Heimburger Nebenlinie gelang, ihren Besitz beträchtlich zu erweitern, insbesondere die Vogtei über das Stift Quedlinburg zu gewinnen, so waren am Anfänge des 14. Jahrhunderts die Blankenburg-Regensteiner Grafen die mächtigsten Herren und eigentlichen Gebieter im Harzgau. Ihre Macht war über die ihrer Lehnsherren, der Halberstädter Bischöfe, weit hinausgewachsen und erstreckte sich von jenen drei so nahe bei einander gelegenen Burgen aus über die ganze Gegend von der Höhe des Harzes bis zur Oker im Westen, der Bode im Osten und dem großen Bruch im Norden. Ausgenommen war in der Hauptsache nur der damals noch recht geringe Besitz der Herren von Wernigerode, d. h. die Schlösser Wernigerode und Harzburg, und die kärglichen Reste des bischöflich halberslädtischen Gebietes, nämlich Halberstadt, Langenstein, Hornburg und Osterwieck. Dieses Verhältnis änderte sich vollständig in der ersten Hälfte des 14 . Jahrhunderts durch die langwierigen Kämpfe zwischen den Reinsteiner Grafen und den Halberstädter Bischöfen, die neuere Geschichtsschreiber mit Recht als „den Kampf um die Herrschaft im Harzgau“ bezeichnen und die durch Julius Wolffs Roman „der Raubgraf“ auch dem großen Publikum bekannt und interessant geworden sind.
Der Hauptvertreter der Regensteiner in diesen Kämpfen, auf deren Einzelheiten an dieser Stelle nicht eingegangen werden kann, ist die sagenumsponnene Figur des „Raubgrafen“, Albrecht II. von Regenstein-Heimburg.
Die bekannteste Episode daraus ist seine Fehde mit den mit dem Bischöfe Albrecht von Halberstadt verbündeten Quedlinburgern, die ihn gefangen nahmen und dann in einem noch jetzt auf dem Quedlinburger Rathause aufbewahrten Kasten über ein Jahr eingesperrt hielten, bis er sich bequemte, die demütigenden Bedingungen der Quedlinburger anzunehmen. Die entscheidende Wendung in diesen Kämpfen brachte aber erst die Gefangennahme des Grafen Heinrich von Regenstein durch den mit dem Bischof von Halberstadt verbündeten Grafen Konrad von Wernigerode im Jahre 1343. Um die Befreiung Heinrichs zu erwirken, mußten die Regensteiner an Konrad den größten Teil ihres Besitzes im westlichen Harzgau abtreten, ungefähr das Gebiet, das jetzt den Kreis „Grafschaft Wernigerode“ und den daran angrenzenden Teil des Kreises Halberstadt ausmacht. Da nach diesen Verlusten auch ihre übrigen Besitzungen im Westen des Harzgaues nicht mehr haltbar waren, entschlossen sie sich dann, ihre Machtstellung in jenen Gebieten ganz zu liquidieren, indem sie von dem Reste einen Teil an die Herzoge von Braunschweig, den andern an den Bischof von Halberstadt verkauften. Um aber die Heimburger Linie, zu deren Besitze die von Konrad erzwungenen Abtretungen zum großen Teile gehört hatten, einigermaßen schadlos zu halten, überließ Heinrich dieser sein Hauptschloß, den Regenstein, mit allem Zubehör und trat selbst von der Regierung völlig zurück. Zu derselben Zeit muß auch Poppo von Blankenburg, der damalige Vertreter des Blankenburger Zweiges des Geschlechtes, wahrscheinlich um gegenüber den überall herandringenden Feinden die gesamte Macht des Hauses in einer Hand zu vereinigen, seinen Besitz den Heimburger Grafen überlassen haben; denn im Jahre 1344 werden die beiden Brüder Albrecht und Bernhard von Regenstein-Heimburg von den jungen Herzögen Magnus und Ernst von Braunschweig nicht bloß mit der Heimburg, sondern auch mit Blankenburg und dem Regenstein belehnt. So beherrschte seitdem die Heimburger Linie allein, freilich in beschränkterem Umfange, die ganze alte Grafschaft Blankenburg.Trotzdem war aber die Macht des Hauses so geschwächt, daß es von da an eine politische Rolle nie mehr hat spielen können; seine weiteren Schicksale sind daher für die Geschichte ohne großes Interesse, ruhmlos ist sein letzter Vertreter 1599 ins Grab gesunken.
Für die Geschichte des Regensteines ist dagegen diese Konzentrierung des gesamten Besitzes des Hauses in der Hand der Heimburger Linie von der größten Bedeutung gewesen. Es haben sich freilich auch im Mittelalter die Ansprüche, die man an die Wohnlichkeit und Bequemlichkeit der Wohnräume machte, allmählich beträchtlich gesteigert, und so mag die Felsenburg Regenstein auch schon früher, als noch eine besondere Regensteinsche Linie existierte, vielfach zurückgetreten sein hinter den stattlicheren und bequemeren Schlössern Schianstedt, Crottorf und Derenburg, Aber zeitweise wurde die alte Stammburg des Hauses doch noch bewohnt, und in dem Lehnbriefe von 1344 wird sie neben der Blankenburg und Heimburg noch an erster Stelle erwähnt. Das wurde jetzt anders. Die Herren der vereinigten Grafschaft machten zu ihrer Residenz naturgemäß die ansehnlichste ihrer Burgen, die Blankenburg, während der Regenstein immer mehr zurücktritt. Am Anfänge des 15. Jahrhunderts werden zwar noch Vögte erwähnt, die auf dem Regenstein residierten, und 1418 soll ein Bischof von Merseburg, der vom Grafen Bernhard III. von Blankenburg gefangen genommen worden war, hierher in Gewahrsam gebracht worden sein, aber als Grafenschloß war sie damals wohl schon längst aufgegeben. Als 1442 zwei Grafen wieder einmal ihr Gebiet teilten, erscheint daher neben Blankenburg nicht mehr der Regenstein, sondern Derenburg als zweite Residenz und Hauptort der Grafschaft, und 1491 wird in einer Urkunde, durch die für den Fall eines etwaigen Aussterbens des Regensteiner Grafenhauses die damaligen Braunschweiger Herzöge mit ihren Besitzungen im Harze den Grafen Heinrich von Stolberg-Wernigerode belehnen, der Regenstein überhaupt nicht mehr aufgezählt. Wahrscheinlich war er also damals schon gänzlich verlassen und zur Ruine geworden. Genauere Nachrichten über seinen Zustand erhalten wir freilich erst aus dem Anfänge des 16. Jahrhunderts. Damals zur Zeit des Wiedererwachens der Wissenschaften war es die Seltsamkeit der verfallenden Burg mit ihren vielen Steingemächern, die das Interesse der gelehrten Geschichtsfreunde auf den Regenstein lenkte. Die erste Erwähnung der Ruine finden wir bei dem sog. Monachus Pirnensis in seiner 1530 abgeschlossenen Sachsen-Chronik, wo es vom Regenstein heißt: „Regenstein (oder Reynstein) eine burck am Harcz, II meilen von Falkenstein, ist eine graveschaft und herrschaft, hatte wunderlich gebewde, in steincluftern alles hausgemach ausgehoben, nu czubrochen, die herrn difi titels seint auf yecz auf Blanckenburg seßhaftig." Aus nicht viel späterer Zeit stammt die erste dichterische Beschreibung der Ruine durch den Humanisten Singelius. Dieser Mann, der 1540 auf Melanchthons Empfehlung an das neu begründete Quedlinburger Gymnasium berufen worden war, mag in dieser Stellung mit dem damaligen Grafen von Blankenburg-Reinstein Ulrich XI., der als Stiftsamtmann und Schwager der regierenden Äbtissin Anna von Wernigerode die nächsten Beziehungen zu Quedlinburg hatte, in nahe Berührung gekommen sein. Als daher 1546 das Blankenburger Schloß abgebrannt und des Grafen Gemahlin Magdalene in den Flammen umgekommen war, übersandte er 1547 von Sangerhausen, wo er damals als Prediger wirkte, dem Grafen eine Sammlung von Trostelegien, in deren einer er weitausholend auch den Regenstein besingt. Es heißt da:
Rupibus excisae cemuntur fragmina molis,
Nomina quae pluviae, noinina rupis habet.
Rupibus e duris conclavia singula constant,
Mirificas praebent saxa cavata domos.
Hic humilis cernis sacraria saxea templi,
Conspicis e fragili caesa theatra topho.
Et saxis incisa gravi praesepia ferro,
In stabulis, quae sunt saxea, multa vides.
Arx fuit ista quidem longos habitata per annos,
Texit et eximios aula cavata duces.
At nunc desertis reperitur bubo sub antrLs,
Carnivoraeque cient flebile murmur aves.
Sedibus bis Regesteiniadum contenta propago
Saxoniae latis imperitabat agris.
Hinc titulos et nomen habent illustre nepotes,
Arx licet opposito structa sit alta iugo.
In deutscher Übertragung würden die Verse etwa folgendermaßen lauten:
Auf den Felsen erblickt man der Burg zerstörte Ruine,
Die vom Regen und Stein einstmals den Namen empfing.
Aus gewachsenem Fels bestehen ihre Gemächer,
Und der gehöhlte Stein bietet ein wunderlich Haus.
Hier schaust du einer niedern Kapelle steinernen Altar,
Siehst einen Festsaal gehaun aus dem gebrechlichen TufF.
Viele Krippen erblickst du auch in den steinernen Ställen,
Die in den Felsen gehaun wuchtenden Erzes Gewalt.
Einst war der Ort eine Burg, die lange Jahre bewohnt war.
Und das gehöhlte Gemach schützte manch ruhmvollen Herrn,
Jetzt aber haust nur der Uhu in den verlassenen Höhlen,
Und der Raubvögel Schar füllt sie mit lautem Gekrächz.
Einstmals gebot gewaltig von diesem bescheidenen Sitze
Regensteins Herrschergeschlecht weit über Sachsens Gefild,
Und die Enkel noch führen davon den Titel und Namen,
Ob sie sich gleich ihre Burg jetzt gegenüber erbaut.
Man sieht aus dieser Beschreibung deutlich, daß schon damals die Reste der Burg ähnlich wie jetzt ausgesehen und ebenso wie jetzt zu dem Gemüt eines fühlenden Beschauers gesprochen haben. Bald wurden sie auch zu einer Sehenswürdigkeit; als zur Hochzeit der einzigen Tochter des Grafen Ernst am 2. Oktober 1592 der Rat von Braunschweig 2 Vertreter entsendet hatte, ließen sich diese laut der noch erhaltenen Abrechnung auch „uff den alten Regenstein“ führen und gaben dem Führer „2 gr. und 3 pf. Aus dem 17. Jahrhundert sind dann schon mehrere z. T. recht weitschweifige Berichte über den Besuch der Ruinen erhalten. Die erste ausführliche Beschreibung findet sich in der oben erwähnten Topographie von Merian. Da sie für unsere Kenntnis der ehemaligen Beschaffenheit der Burg nicht ohne Bedeutung ist, möge sie mit einigen Kürzungen hier stehen:
„Dieses Schloß .... liegt auf einem sehr harten Steinfelsen, unglaublicher Höhe, welcher an zweyen seiten so gäh, präerupt, steiget oder glatt ist, als wann er mit Menschen- Händen also gehawen, und daß so zu reden nicht eine Katze hinauff klettern könnte; die Höhe ist daher abzunehmen, daß wann einer oben auff dem wüsten Hause stehet, und jemand unten die Heerstraße, so von Quedlinburg nach Wernigeroda, hart an dem Felsen weg gehet, reisen sihet, derselbe nicht anders, als etwa eine Krähe, oder ander kleines Thier, im Gesicht, der Höhe halber vorkommet. An der Seiten aber nach Blanckenburg, da der Aufgang auff das Schloß gewesen, ist es mit natürlichen mittelmäßigen Steinfelsen, doch so verwahret, daß nur ein Aufgang durch einen Felsen darinnen vor diesem gehawen gewesen. Wenn man nun durch diesen engen Paß kommen, so ist es noch mit einem tieffen Graben versehen gewesen, dann erhebet sich recht an der Ecken des Schlosses ein hoher, dicker, runder Thurm, der den gantzen Eingang in gute Defension gesetzet, von dem Thurm streichet eine starcke dicke Maure an der Seiten des Felsen hinunter, gegen Abend, biß an die Ecke, da der Felsen am höchsten und gähisten ist, unter welcher Maur sich ein sehr tieffes Thal aufthut, daß also das Schloß an dieser Seite, da der aditus ist, beydes durch die Natur und Menschen Witz, wie auch an allen anderen Oertern ingenio loci dermaßen befestiget, daß diese Vestung bevorab ehe und bevor Pulver und Geschütz erfunden, unüberwindlich gewesen. Das Schloß an jhm selber ist über das mit tieffen Graben, über welchen eine Zugbrücke und die Einfahrt gewesen, wie auch Kirchen, Holfstuben, Küchen, Kellern, Ställen, und allen anderen Gemächern, auß einem lautem Steinfelsen dergestalt gehawen, daß es ohne Verwunderung nicht anzusehen, sogar daß auch die Krippen in den Pferdeställen, auch in etlichen Kammern die Spenden aus eben diesen Stein mit gehawen worden, wiewohl durch die Länge der Zeit sehr viel und große Gemächer mit, Erden dergestalt beschüttet, daß man darin nicht' mehr kommen, viel weniger recht judicieren kan, wie alles angelegt gewesen, so seyn doch noch von 30 in 40 Gewölbe, oder Gemächer offen, und giebet der untriegliche Augenschein annoch gegenwärtige Stunde soviel, daß zu einer Gräfl. Hofhaltung Raum und Gelegenheit genug dabey gewesen seyn muß. Die Kirche oder Capell dabei ist ziemlicher große, in form eines Gewölbes, und in der mitte ein starcker Pfeiler ausgehawen, in Summa, es seyn die Structuren dieses Schlosses von Natur und durch Menschenkunst mit unsäglicher Arbeit und Mühe also formiret, daß man sich darüber höchlich verwundern muß.“
Doch noch nicht für immer sollte der Regenstein so in Ruhe daliegen als Schaustück für Geschichtsfreunde und Harz-Reisende; noch einmal sollte er eine wichtige Rolle spielen in der Geschichte der umliegenden Gegend, als in den Streitigkeiten zwischen ßraunschweig und Brandenburg über den Besitz der Grafschaft Regenstein gerade dieser Felsen zum Hauptstreitgegenstand wurde und dann, brandenburgisch geworden, vom Großen Kurfürsten ausersehen wurde, eine mächtige Festung zu tragen und der Hauptstützpunkt der brandenburgischen Macht in dieser Gegend zu werden. Zum Verständnisse jener Streitigkeiten, die wohl den interessantesten Teil der Geschichte des Regensteins ausmachen, ist es nötig, etwas weiter auszuholen. Das Gebiet der Regensteiner Grafen in der Ausdehnung, wie diese es seit den Kämpfen des 14. Jahrhunderts im wesentlichen unverändert bis zum Aussterben des Geschlechts beherrscht haben, war in der Hauptsache von zwei Lehnsherren abhängig, den Herzogen von Braunschweig und den Bischöfen von Halberstadt. Die ersteren waren nach dem übereinstimmenden Zeugnisse aller Lehnsurkunden ihre obersten Lehnsherren in den drei alten Stammburgen Blankenburg, Regenstein und Heimburg mit den dazugehörigen Gebieten, sowie in Hasselfelde und Stiege; von letzteren hatten sie neben der Grafschaft im rechtlichen Sinne, d. h. der richterlichen Amtsgewalt und neben vielen einzelnen Hoheitsrechten zu Lehen die Dörfer Westerhausen, Warnstedt, Weddersleben, Thale und halb Neinstedt. In Erinnerung an die frühere Teilung des Gebietes in Blankenburg und Regenstein wurden häufig die Braunschweiger Lehnsstücke als Herrschaft Blankenburg, die Halberstädter als Grafschaft Reinstein bezeichnet, obwohl die Grenzen jener alten Teilgebiete mit dieser Einteilung des Besitzes nach der verschiedenen Lehnszugehörigkeit keineswegs zusammenfielen und der Regenstein selbst, wie erwähnt, nicht halberstädtisches, sondern braunschweigisches Lehen war. Beim Aussterben des Hauses 1599 hätte nun sein Besitz eigentlich nach diesen beiden Seiten auseinanderfallen müssen. Der Zerfall des Gebietes wurde aber dadurch vermieden, daß die braunschweigischen und halberstädtischen Interessen damals zusammen fielen. Seit 1566 war nämlich postulierter Bischof von Halberstadt der älteste Sohn des damaligen braunschweigischen Herzogs Julius, namens Heinrich Julius. Als nun gegen Ende des Jahrhunderts das Haus der Blankenburg-Regenstein’schen Grafen immer mehr ausammenschmolz und seinem baldigen Erlöschen entgegen zu gehen schien, benutzte Heinrich Julius seine Stellung als Bischof von Halberstadt, um mit den halberstädtischen Lehnsgütern der Regennteiner für den Fall des Aussterbens dieses Geschlechtes seinen Vater und dessen Deszendenz zu belehnen, und ließ nach dessen 1589 erfolgtem Tode diese Anwartschaft durch das Domkapitel auf sich selbst übertragen. Somit konnte er 1599 die ganze Grafschaft, den einen Teil, die Herrschaft Blankenburg, als erledigtes braunschwei- gisches, den andern, die Grafschaft Regenstein, als ihm übertragenes halberstädtisches Lehen mit seinen übrigen Besitzungen vereinigen. Auch nach seinem Tode änderte sich an diesen Verhältnissen zunächst nichts. Als Herzog von Braunschweig folgte ihm sein Sohn Friedrich Ulrich, als Bischöfe von Halberstadt der Reihe nach dessen jüngere Brüder Heinrich Karl, Rudolf und Christian (der berühmte tolle Christian von Halberstadt), die ihrem Bruder die Belehnung mit den Halberstädter Lehngütern natürlich stets erneuerten. Schwierigkeiten entstanden erst, als Christian, nachdem er schon 1624 auf das Bistum Halberstadt verzichtet hatte, 1626 kurz vor der entscheidenden Niederlage seiner Sache bei Lutter am Barenberge gestorben war und das Domkapital nach diesem Siege der katholischen und kaiserlichen Partei wieder einen katholischen Bischof in der Person des Erzherzogs Leopold Wilhelm gewählt hatte. Damals nahm der Kaiser Ferdinand II., der nach dem jus retentionis den Nachlaß des in der Reichsacht verstorbenen Christian beanspruchte und dazu auch die diesem angeblich von seinem Vater vermachte und von seinem Bruder abgetretene Grafschaft Regenstein rechnete, diese für sich in Anspruch, um sie 1628 seinem Kämmerer Maximilian von Wallenstein, einem nahen Verwandten des kaiserlichen Generalissimus Albrecht von Wallenstein als Deckung für ein angebliches Darlehn von 50000 Gulden zu übertragen. Das kaiserliche Mandat wurde durch Wallenstein ausgeführt und die ganze Grafschaft zur Huldigung gezwungen; noch jetzt befindet sich in einer Kasematte an der Nordwestecke des Regensteins ein großes lateinisches W als Zeichen der Wallensteinischen Besitzergreifung.
Schon im nächsten Jahre wurde sie dann von Wallenstein weiter an den General Merode verkauft. Der Herzog von Braunschweig protestierte gegen alle diese Maßregeln, natürlich vergeblich; erst als die Schlacht von Breitenfeld die Kaiserlichen wieder aus dieser Gegend vertrieben hatte, gelang es dem Herzoge, die Grafschaft wiederzugewinnen, nachdem er Merode die angeblich von diesem bezahlten 50000 Gulden zurückerstattet hatte. Eine völlige Änderung der Sachlage trat ein, als 1634 der Herzog Friedrich Ulrich verstarb. Mit ihm war die mittlere Linie des Hauses Braunschweig- Wolfenbüttel, die allein von Halberstadt belehnt war, ausgestorben und damit alle Ansprüche der Braunschweiger Herzöge an die Halberstädter Lehnstücke der Grafschaft erloschen. Trotzdem nahmen die Erben, die Vertreter der verschiedenen Linien des Hauses Braunschweig-Lüneburg, auch diese in Besitz und behaupteten sich darin auch fürs nächste trotz des Widerspruchs des damals von den Schweden besetzten Bistums. Als aber nach dem Prager Frieden 1685 die Kaiserlichen wieder nach Niedersachsen vordrangen und auch das Bistum Halberstadt wieder für den Erzherzog Leopold Wühelm in Besitz nahmen, ließ dieser durch seinen Statthalter Metternich natürlich auch die erledigte Grafschaft Regenstein besetzen. Bei dieser Gelegenheit hat zum ersten Male der Regenstein wieder eine politische Rolle gespielt, indem die halberstädtische Besitzergreifung diesmal zuerst ausdrücklich auch auf diesen und die Ruine ausgedehnt wurde. In dem notariellen Protokolle, das nach damaliger Sitte darüber aufgenommen wurde, heißt es darüber, die Kaiserlichen Kommissarien hätten für gut befunden „auch das uralte Stammhaus Reinstein, wiewohl dasselbe verödet war, durch . Ergreifung eines Steines, da die Tür vordem eingegangen, und durch Abhauung eines Zweiges von dem Birnbaum oben im Platze für dem Hause formaliter in Poßeß zu nehmen“. Nach dem oben Ausgeführten waren sie dabei im Unrecht, doch kann man wohl verstehen, daß sie wegen der herkömmlichen Bezeichnung der Halberstädter Lehnstücke als Grafschaft Reinstein den Regenstein als einen notwendigen Bestandteil dieser Lehnstücke ansahen.Übrigens war bei dem Schwanken des Kriegsglückes in den letzten Jahren des dreißigjährigen Krieges dieser Besitz nach wie vor ein sehr zweifelhafter. Je nachdem die Kaiserlichen oder die damals mit den Braunschweiger Herzögen verbündeten Schweden die überhand hatten, wurden die streitigen Gebiete abwechselnd mit Halberstädter oder Braunschweiger Beamten besetzt. Erst 1641 gelang es den Kaiserlichen, für längere Zeit hier festen Fuß zu fassen. Im Zusammenhang damit belehnte 1643 der Erzherzog -Bischof mit der erledigten Grafschaft Regenstein mit Einwilligung des Kaisers und des Domkapitels seinen vornehmsten Berater, den Grafen Wilhelm Leopold von Tättenbach. Da aber die gegenseitigen Reibereien auch jetzt nicht aufhörten und Tättenbach erkannte, daß er unter diesen Umständen in seinem Besitze nur so lange ungestört bleiben würde, wie die Kaiserlichen die Gegend beherrschten, hielt er es für geraten, mit Erlaubnis des Bischofs die Belehnung mit den streitigen Stücken für sich auch vom Hause Braunschweig zu erwirken. Der Herzog August von Wolfenbüttel, dem damals nach erfolgter Erbteilung die ganze Grafschaft Blankenburg zugefallen war und dem es ja nur auf die Sicherung seiner angeblichen Ansprüche ankam, stellte Ende 1644 bereitwillig die erbetene Belehnung aus, in die nunmehr zum ersten Male von Braunschweiger Seite auch die streitigen Dörfer Westerhausen u. s. f. ausdrücklich mit aufgenommen wurden. Auf dem Westfälischen Friedens-Kongreß wußte sich der Graf nach beiden Seiten sicher zu stellen, und das Haus Braunschweig kam ihm darin zu Hüfe in der Absicht, seine eigenen Ansprüche gegen den Kurfürsten von Brandenburg als Rechtsnachfolger der Bischöfe von Halberstadt zu wahren. So wurde einerseits der Kurfürst, dem bekanntlich „zur ersetzlichen Kompensation für Vorpommern“ unter anderen Stiftslanden auch das Stift Halberstadt zugesprochen wurde, verpflichtet, den Grafen von Tättenbach im Besitz der Grafschaft Reinstein zu belassen und die diesem vom Erzherzog -Bischof erteilte Belehnung zu erneuern, andererseits wurde aber auch die vom Hause Braunschweig Tättenbach erteilte Belehnung als gültig anerkannt. Es waren hiernach de jure vom Reiche für dasselbe Gebiet zwei Lehnsherren anerkannt, ein Verhältnis, in dem für den Fall einer Neueröffhung des Lehns natürlich der Keim zu langwierigen Streitigkeiten beschlossen lag. Die erste Veranlassung dazu ergab sich, als am Ende des Jahres 1661 Wilhelm Leopold von Tättenbach starb und Brandenburg diese Gelegenheit wahrnahm, um durch entsprechende Maßregeln seine Oberhoheit vor aller Augen kund zu tun. Der Kurfürst ließ damals durch den Hauptmann von Wildenstein die Grafschaft von neuem in Besitz nehmen, um sie Tättenbachs Nachfolger und Brudersohn Hans Erasmus von Tättenbach zu übergeben. Nach dem Vorgänge von 1636 rechnete man natürlich auch diesmal den Regenstein dazu, ohne sich freilich mit seiner Besitznahme besondere Mühe zu geben. Das Protokoll berichtet darüber: „Es hat auch Edelgemeldeter von Wildenstein das alte und ganz verödete Stammhaus Reinstein, woselbst keiner wohnen, noch wesentlich sich aufhalten kann, also dahin zu reisen und solchen Steinhaufen in wirklichen Besitz zu nehmen von einer Unnot ermessen, gleichwohl per aspectum in possessionem genommen.“
Wie es scheint, haben die Braunschweiger diese Unterlassung Wildensteins zum Anlaß genommen, ihrerseits vom Regenstein ausdrücklich Besitz zu ergreifen. Der Kurfürst hielt es nunmehr für nötig, auch seinerseits den Regenstein offiziell zu besetzen. Am 23. Februar 1662 marschierten 30 brandenburgische Soldaten unter Führung eines Leutnants und begleitet vom Kom- missar Heinrich von Poine nach dem Regenstein. Sie fanden, daß die dort liegenden braunschweigischen Soldaten — es waren 6 und l Schütze — „den Reinstein verknicket gehabt, also, daß man vorher die verknickten Bäume weghauen und räumen müssen“. Auf dem Platze vor dem Reinstein trafen sie dann die kleine braunschweigische Besatzung unter Waffen. Auf die Frage, ob sie schriftliche Ordre zur Besetzung des Platzes hätten, erhielten sie die Antwort „sie hätten nur mündliche Ordre, die laute aber dahin, nicht vom Reinstein zu weichen, sie würden denn herunter getragen“. Trotzdem marschierten die Brandenburger auf die Burg, worauf „berührter Herr Kommissarius Poine zu dem Residenzhause, davon jetzt nur noch die rudera sind, vor dem Regensteine sich erhoben und seine Kommission öffentlich verlesen, darauf derselbe zu dem Eingänge eines Loches, so vor Zeiten ein Thor gewesen, getreten, einen Stein mit der Hand aus dem Reinstein gebrochen und von dem wilden Birnbaum, so auf der linken Seite des Reinsteins steht, einen Zweig abrumpiret. Alsdann ließ er einen Adler, das Scepter auf der Brust tragend, sowohl am Reinstein zur rechten Hand, wenn man hineingeht, als auch in einem Gemache, worin dem Berichte nach die alten Grafen gewohnt, in den Stein hauen, verfügte sich dann in das Gewölbe, die Hofstube genannt, und setzte sich zum Zeichen der Besitznahme darin nieder. Nachdem dies geschehen, ist ein Trupp Musquetierer kommandiret, welche mit Trommelschlag auf die Höhe des Reinsteins marschieret, droben dreimal eine Salve gegeben und dreimal dabei gerufen „Vivat Churbrandenburg“. Darauf sind die Braunschweigischen Soldaten, weil sie in Güte nicht weichen wollen, jedoch cum discretione heruntergebracht worden, auch ist ein churbrandenburgischer Leutnant nebst 30 Musquetieres realiter zur Besetzung dabei auf dem alten Reinstein geblieben, und haben dieselben die possession zu continuiren Feuer und Rauch daroben gemacht und sich allda gelagert.“ Als dann im folgenden Jahre „die in signum continuatae possessionis eingehauenen Brandenburgischen Wappen heimlich ausgehauen worden waren, wurde dieses Attentatum geahndet, der Posse ff durch Wiedereinhauung der Wappen renovieret und als des Herzogs zu Wolfenbüttel Durchl. dieses Verfahren entschuldiget und daß sie es nicht befohlen, angefähret, auch alles in stato quo zu belassen sich erklärt, ist die Sache in possessorio abgethan.“ Anlaß zu neuen Streitigkeiten entstand, als 1666 der Herzog August von Braunschweig gestorben war und sein Sohn und Nachfolger Rudolf August Miene machte, die alten Ansprüche auf das streitige Gebiet von neuem geltend zu machen. Der Große Kurfürst ließ daher zur Verhinderung einer neuen Braunschweiger Besitzergreifung den Regenstein wieder besetzen, und als an einigen Orten jenes Gebietes der junge Herzog hatte heimlich das Braunschweiger Wappen anschlagen lassen, beschwerte sich der Kurfürst schon in dem Kondolenzschreiben an Rudolf August sehr energisch darüber, „daß bald nach beschehener Antretung E. L. Regierung der Anfang mit neuen unleidlichen Turbationen gemacht und Dero Wappen in unserm unstreitigen territorio der Stadt Derenburg und anderen Orten mehr affigiret worden* und ersucht ihn, seinen Beamten „derartigen Unfug zum schärfsten zu verweisen“. Da die Antwort des Herzogs sehr entgegenkommend lautete und er die betreffenden Handlungen als immaßgeblich erklärte, so wurde das freundnachbarliche Verhältnis zunächst nicht weiter gestört. Auf beiden Seiten war man zwar von seinem guten Rechte überzeugt, aber doch zu Verhandlungen gern bereit. Noch im März 1670 schrieb der Kurfürst an den Herzog von Braunschweig, daß es zur Schlichtung der Streitigkeiten notwendig erscheine, „die alten Lehnbriefe mit den neuen zu conferieren, auch andre vorhandene Nachrichten einzunehmen und so zu versuchen, wie denen Dingen in Zeiten vorzukommen, so hiernächst mehrere Difflcultät und Irrungen verursachen möchten“. Unterdessen war schon ein Ereignis eingetreten, das die Möglichkeit solcher „Difflcultät und Irrungen“ in die nächste Nähe rückte. Im März 1670 wurde nämlich Tättenbach wegen Teilnahme an einer damals entdeckten Verschwörung ungarischer Magnaten, in die er durch seine Gemahlin, eine geborene von Forgatsch, verwickelt worden war, verhaftet. Sein Prozeß zog sich lange hin, führte aber schließlich zur Verurteilung zum Tode und Hinrichtung im Herbste 1671. Indem hiermit die Lehnsgüter an den Lehnsherrn zurückflelen, mußte nunmehr der Hoheitsstreit zwischen Braunschweig und Brandenburg in sein entscheidendes Stadium treten. Auf beiden Seiten beobachtete man die Entwicklung der Dinge mit gespanntester Aufmerksamkeit. Auf braunschweigischer Seite entschloß man sich noch im März, jeden brandenburgischen Eingriff mit Protest und Besitzergreifung der erledigten Lehen im Namen des Gesamthauses zu erwidern. Unterdessen hatte aber Brandenburg schon gehandelt. Schon Ende März war an die Halberstädter Regierung der Befehl ergangen, sich die Beobachtung der Grafschaft Reinstein mit Fleiß angelegen sein zu lassen, damit von den Herzogen zu Braunschweig nichts zu Brandenburgs oder des Grafen Tättenbach Nachteil vorgenommen werden könne. Nachdem dann neue Nachrichten aus Wien über den Prozeß des Grafen eingegangen waren, erfolgte am 6. April der bestimmte Befehl, schleunigst die nötigen Schritte zu tun, „daß die Grafschaft in unserm Namen eingezogen und in possession und administration genommen werde, damit uns hierunter weder von Braunschweig noch sonst jemand praeveniret werde“. Demgemäß ergriff die Halberstädter Regierung sofort am 8. April in Westerhausen Besitz von dem dortigen Amte und der ganzen Grafschaft und belegte auch den Regenstein und die streitigen Dörfer mit kleinen militärischen Kommandos. Es ist nicht ohne lnteresse, daß dieses Ereignis, das hier nach den archivalischen Quellen dargestellt ist, nicht freigeblieben ist von sagenhafter Ausschmückung. Es heißt, der Herzog von Braunschweig habe eher als der Kurfürst genaue Nachrichten über den mißlichen Stand der Tättenbachschen Sache gehabt und schleunigst einen Trompeter als Ordonnanzreiter an den Blankenburger Hofrat Fincke gesendet, mit der Ordre, sofort die Besitzergreifung vorzunehmen. Dieser Reiter aber kehrte in Hornburg im Wirtshause ein, ließ sich dort den Trunk schmecken und wurde dabei so redselig, daß er ganz treuherzig den anwesenden Gästen seinen wichtigen Auftrag offenbarte. Unter den Gästen waren aber zwei Halberstädter Bürger, die ließen, als sie die wichtige Nachricht hörten, dem Trompeter so weidlich einschenken, daß er das Weiterreiten vergaß, und eilten schleunigst nach Halberstadt, um dort Meldung zu machen, worauf dann von dort aus sofort die Besitzergreifung erfolgte. Nach Brandenburgs Vorgänge blieb man auch auf braunschweigischer Seite nicht länger müßig, sondern beauftragte den Blankenburger Sekretär Rosenthal, mit einem Notarund Zeugen die strittigen Orte für Braunschweig in Besitz zu nehmen. Da sie von brandenburgischen Truppen besetzt waren, mußte dies heimlich und bei Nacht geschehen. In Westerhausen, Warnstedt und Weddersleben gelang dies auch; als sie aber nach Thale gekommen waren, wurden sie angehalten und in Arrest gelegt ( 14 . April). Am nächsten Tage wurden sie dort durch einen Beamten der Regierung verhört, zugleich wurde allen anwesenden Offizieren und Soldaten, sowie sämtlichen Bewohnern der Grafschaft der Befehl eingeschärft, „diese verarrestierten Leute wohl zu verwahren und stets bei Tag und Nacht fleißig Obacht zu halten, wenn dergleichen gefährliche Leute an einem und anderen Orte der Grafschaft Reinstein sich weiter vorfinden sollten.“ Diese Mahnung hatte freilich schlechten Erfolg. Da die Arrestanten nicht, wie es Oberst V. Fargel, der neue brandenburgische Kommandant des Regensteins, vorschlug, von Thale nach dem Regenstein gebracht, sondern dort gelassen und von der schwachen Besatzung bewacht wurden, gelang es dem Blankenburger Hofrat Fincke, mit großer Übermacht plötzlich Thale zu umzingeln und die Arrestanten zu befreien. Damit noch nicht zufrieden, stürmten die Braunschweiger dann nach dem über Thale gelegenen Berghause, um dort die Bergleute zu vertreiben. Da die brandenburgischen Soldaten, die sich zu deren Schutze dort befanden, sich in dem Hause einschlossen, wurde es erbrochen und Offiziere und Soldaten hinausgebracht, auch die Arbeiter verjagt, die Gerätschaften teils zerstört, teils in die Bode gesenkt. Auch die angrenzenden Waldungen wurden besetzt und die dort befindlichen Holzhauer vertrieben und ihre Werkzeuge gepfändet. Das ganze Haus Braunschweig billigte diese Aktion, und um ihr noch mehr Nachdruck zu geben, beschleunigte und verstärkte es das schon vorher beschlossene Truppenaufgebot. Über 1000 Mann wurden unter dem Befehl des Generals V. Stauff in und um Blankenburg zusammengezogen. Demgegenüber zeigte sich der Kurfürst zuerst recht gemäßigt, indem er nur die Desavouierung der schuldigen Diener verlangte. Als aber die Braunschweiger Herzoge nun ihrerseits sehr energische Beschwerde über die Behandlung ihrer Abgesandten führten und deren gewaltsame Befreiung hiernach für ganz gerechtfertigt erklärten, schlug auch er in einem Briefe an Rudolf August vom 2. Mai einen sehr drohenden Ton an. Er er- klärt, daß er auf die Nachricht von den unerhörten Vorgängen in Thale die Sache vertrauensvoll an den Herzog gebracht und um Bestrafung der Frevler gebeten, auch sonst nichts unterlassen habe, „was zur Verhütung aller Weitläufigkeit und Conservation . des nachbarlichen Vernehmens gereichen könnte. Nachdem aber solches ganz und gar außer Augen gesetzet wird und man sich mit einer Tätlichkeit und Beschimpfung über der anderen sich gleichsam zu uns nötiget, ja dergestalt gegen uns und die unsem procediret, auch ferner solche praeparatoria macht, als wenn es bereits zu offenbarem Kriege gekommen, so müssen wir es Gott und der Zeit befehlen und auf die Rettung und Maintenierung unserer Reputation und iurium bedacht sein. Inmittelst wollen wir von allen daraus entstehenden Gefährlichkeiten und Weiterungen für dem Allerhöchsten und der ganzen Welt entschuldigt sein und deren Verantwortung demjenigen anheimstellen, welcher dieselben verursacht und uns mit so harten und unleidlichen Zunötigungen, dergleichen uns bei unserer nunmehr dreißigjährigen Regierung von niemand widerfahren, anzugreifen Lust und Gefallen gehabt“. Gegenüber den Rüstungen der Braunschweiger traf der Kurfürst die entsprechenden Gegenmaßregeln, indem er eine diesen überlegene Truppenmacht heranzog. Auch die Besetzung des Regensteins, die bis dahin nur aus 50 Mann bestanden hatte, wurde durch weitere 120 Mann verstärkt und dem Kommandanten v. Fargel zugleich der Auftrag erteilt, die verfallenen Befestigungen so schnell als möglich wieder in Verteidigungszustand zu setzen. Wie aufgeregt und kriegerisch in der ganzen Gegend die Stimmung war, das zeigen am besten einige Soldatenbriefe, die im Jahrgange 1670 des Diarium Europäum abgedruckt sind, besonders folgender aus Nienhagen: „1000 zu Fusz und 200 zu Pferd haben sich auf dem Schlosse Regenstein von unsern Völkern verschanzet; hingegen stehen über 3000 zu Fuß und 400 zu Roß zu der Blankenburg von den dreyen Braunschweigischen Häusern. Die Hertzogen von Braunschweig prätendiren die Herrschaft Regenstein. Unser gnädigster Kurfürst ist jetzt mit 6000 Mann im Marsch und bringt 10 Stück aus der Vestung Spandau mit. Aus Magdeburg kommen 500 Mann, auch 6 Stück und sind 200 Dragoner und 3000 zu Fuß aus dem Clevischen und Stift Minden beordert, anhero zu marschiren. Denen Unterthanen allhier im gantzen Lande ist diese Woch bei Straff angedeutet worden, sich mit Ober- und Untergewehr auf Beste zu versehen. Die Leute flüchten alles in Magdeburg, Halberstadt und Aschersleben. Sollte es in Güte nicht beigelegt werden, dürfte es wunderlich hergehen. Unser gnädigster Herr und Kurfürst hat sich resolvieret, wann die Hertzogen von ihrem Vorhaben nicht würden abstehen, ehe er über die Elbe kommt, wollte er recta in ihre Lande gehen. Gott helfe zum Frieden!“
Allein bald änderte sich das Bild. Im Gegensätze zu dem schroffen Briefe an den Herzog Rudolf August hatte der Kurfürst unter demselben Datum an die beiden anderen Vertreter des Welfenhauses, Georg Wilhelm von Celle und Johann Friedrich von Hannover, ein Schreiben von sehr viel milderer Tonart erlassen, in dem er sich nach wie vor trotz aller Gereiztheit zu gütlicher Beilegung des Streites bereit erklärte. Ebenso zeigte man sich auch auf braunschweigischer Seite entgegenkommend. Besonders der mit dem Kurfürsten persönlich befreundete und auf die brandenburgische Freundschaft bedachte Georg Wilhelm von Celle suchte eine Einigung herbeizuführen. Schon am 12. Mai einigten sich die 3 Linien, die am Harze zusammengezogenen Truppen, die man im ersten Eifer von 1400 noch bis auf 6000 Mann hatte bringen wollen, bis auf 400 Mann, die als Besatzung in Blankenburg blieben, wieder zurückzuziehen. Da unterdessen Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen, bei dem sich zur Zeit des Zusammenstoßes zwischen den Halberstädter und Blankenburger Behörden der Große Kurfürst gerade zu Besuch befunden hatte, dem Hause Braunschweig seine Vermittlung angetragen hatte, erwiderte man die Erklärungen des Kurfürsten von Brandenburg unter glimpf- licher Zurückweisung der darin erhobenen Vorwürfe mit dem Ausdruck der Geneigtheit zu gütlichem Austrage der Sache und nahm die von Sachsen angebotene Vermittlung dankend an. Auch Brandenburg erklärte sich dazu bereit, und so kam es im Juli zu einer Konferenz in Wernigerode. Diese verlief zwar resultatlos, da beide Teile an ihrem vermeintlichen Rechte festhielten, sie hatte aber wenigstens die günstige Wirkung, daß die ursprüngliche Gereiztheit der beiden Parteien sich abkühlte und trotz aller Streitigkeiten der unteren Behörden das gute Einvernehmen zwischen ihnen erhalten blieb. Die Streitigkeiten über die Grafschaft und Burg Regenstein haben dann in den nächsten Jahren bei allen Verhandlungen zwischen Braunschweig und Brandenburg eine Rolle gespielt. Da eine Einigung nicht zu stände kam, entschlossen sich endlich die Braunschweiger Herzoge, den einzigen Ausweg einzuschlagen, der übrig blieb, wenn man zugleich die Ansprüche des Hauses und seine guten Beziehungen zu Brandenburg bewahren wollte, indem sie die Entscheidung dem Kammergerichte in Speyer überwiesen. Dieses fällte 1697 die nach den dargelegten Verhältnissen nicht recht verständliche Entscheidung, Brandenburg solle an Braunschweig alle streitigen Besitzungen, also nicht bloß den Regenstein, sondern auch die 5 Dörfer zurückgeben, Schaden und Kosten ersetzen und das Haus Braunschweig-Lüneburg in keine weitere Wege beeinträchtigen. Brandenburg fügte sich dieser Entscheidung weder damals, noch als Kursachsen Befehl erhielt, durch Exekution dem Mandat Nachdruck zu verschaffen, sondern berief sich darauf, daß diese Streitigkeiten, da sie auf verschiedener Auslegung der Artikel des Westfälischen Friedens beruhten, nur von der Reichsversammlung entschieden werden könnten. Nachdem infolge dessen beide streitenden Parteien 1718 und 1714 dem Regensburger Reichstage umfangreiche Memorialia übergeben hatten, erfolgte 1718 das Reichsgutachten, damit diese Angelegenheit an das Reichskammergericht zu verweisen sei. Die Sache war hier noch nicht entschieden, als 1806 mit der Auflösung des deutschen Reiches auch die des Reichskammergerichtes erfolgte, und so ist Preußen im Besitze der Grafschaft und des Regenstein selbst geblieben. Unter der preußischen Herrschaft hat der Regenstein sehr wechselnde Schicksale gehabt. Schon oben ist erwähnt, daß infolge des feindseligen Auftretens der Braunschweiger der Oberst V. Pargel den Auftrag erhielt, den Regenstein schleunigst zu befestigen. Die Arbeit wurde infolge wiederholter energischer Aufforderungen des Kurfürsten sehr rasch gefördert. Schon Ende Mai 1670 konnte Fargel berichten, daß er mit den Werken, „so zur notwendigsten Defension angefangen“, fertig geworden sei. Er fügt hinzu, daß „wenn dieser Ohrt vor allen Anläufen jetzt oder ins künftig solle weiter maintenirt werden, die dabei stehende zwey hohe Steinfelsen, welche hinter sich eine zimbliche Breite und Gelegenheit gegen Blankenburg über haben, da man endlich. wol beikommen und ein 1000 Mann auf solche Plätze stellen kann, daß solche zwey Pelsberge, welche von den inneren gemachten Werkhen, der eine in die 60, der andere aber bis in 90 Schritt weith abliegt, vor allen Dingen mit guten Werkhen müssen gegen einand in die inneren gemachten Werkhe angeschlossen und wol versehen, am allerförderlichsten aber ein Brunnen hir oben gegraben werden.“ Zur Empfehlung der stärkeren Befestigung des Felsens hebt er in einer eigenhändigen Nachschrift hervor, wenn man hier eine HauptFestung anlege und mit der Zeit das Haus Mansfeld dazu bekomme, „so seynd es Dero Landen zwei starcke Vormauern biß auf Magdeburg“. In der Tat war der Kurfürst wohl längst entschlossen, den Regenstein zu einer Festung neueren
Stils auszubauen. Nachdem er ihn Ende 1670, um seine friedliche Gesinnung zu zeigen, noch einmal auf kurze Zeit geräumt hatte, ließ er im Frühjahr 1671 Fargel „einen Abriß samt copia Kurfürstlichen Befehls, wie der Regenstein gebaut werden soll,“ zugehen. Man ging so eifrig ans Werk, daß die wichtigsten Festungswerke, nämlich die von Fargel geforderten Befestigungen auf den beiden „dabey stehenden hohen Steinfelsen“, die sogenannten Bastionen Scharfe Ecke und Priedrichsburg, sowie die zum Schutze der Ostfront bestimmte Priedrich - Wilhelmsburg noch 1671 in der Hauptsache fertig gestellt wurden. Dann scheint aber der Eifer bald erkaltet zu sein und einer gewissen Nachlässigkeit Platz gemacht zu haben. Als im Winter 1674 nach dem Einbrüche der Schweden Pargel den Befehl erhielt, sich wieder auf den Regenstein zu begeben und für den Pall eines feindlichen Angriffes „den Ohrt aufs äußerste zu defendiren“, weiß er in seinem Berichte nicht wenig zu klagen über den noch immer unfertigen Zustand der Pestung, die doch an Baugeldern schon 40000 Thaler gekostet habe, und über den völligen Mangel an Proviant, Munition und Geschütz.
Weitere Nachrichten über den Zustand der Festung liegen erst wieder vom Jahre 1687 an vor, in dem an alle Festungen, darunter auch an den Regenstein, der kurfürstliche Befehl erging, jährliche Stückrapporte einzureichen. Es befanden sich damals auf der Festung 13 Stück eiserne Geschütze, 11947 Handgranaten und 8359 Kanonenkugeln. Ihre Besatzung wurde nach einer Verordnung von 1681 durch das in Halberstadt stehende Regiment in der Weise gestellt, daß alle Monate 150 Mann auf die Festung abkommandiert werden sollten. Besonderes Interesse scheint Friedrich Wilhelm I. der Festung geschenkt zu haben. Unter ihm erfolgte erst ihr völliger Ausbau, indem 1726 die Karlsburg, 1730 ein neues Kommandantenhaus, 1737 die neue Kirche aufgeführt wurde. Er ließ sich öfter Bericht über die Festung erstatten und traf verschiedene Änderungen hinsichtlich ihrer Besatzung. Diese bestand zuletzt in der langen Friedenszeit seit 1719 nur aus einer Invaliden-Kompagnie. Sie empfingen karge Löhnung, machten sich aber einen Nebenverdienst, indem sie Besen banden und Pfeifenköpfe und Pantoffeln aus Holz schnitzten. Unterdessen war die Bedeutung des einst so häufig umstrittenen Felsennestes bei der geringen Ausdehnung der Festungswerke und der gesteigerten Geschoßwirkung der Artillerie immer geringer geworden. Daher scheint zur Zeit Friedrichs des Großen zur Erhaltung und Ausbesserung der Werke nur wenig geschehen zu sein. Als der siebenjährige Krieg begann, befand sie sich nach einem Bericht des damaligen Kommandanten Joachim v. Ahlimb im allerschlechtesten Zustande. Von den Werken waren einige eingesunken und hatten Löcher erhalten, von den 18 Kanonen waren nur 5 brauchbar, das Pulver alt und verlegen. An Besatzung befanden sich nur 80 Invaliden und ein einziger „alter incapabler“ Artillerist darauf. Auch an Proviant mangelte es gänzlich. So war es kein Wunder, daß die Festung die einzige Probe, die sie ablegen sollte, so schlecht bestand. Als nämlich die Franzosen durch die Schlacht bei Hastenbeck ganz Niedersachsen gewonnen hatten, rückte am 12. September 1757 der damalige französische Kommandant von Halberstadt, Herzog von Ayen mit 8000 Mann vor den Regenstein und forderte den Kommandanten zur Übergabe auf mit der Erklärung, daß er, „wenn der Ort nicht übergeben würde, bei einem zu erfolgenden Sturme die Folgen zu erwarten hätte“. Hierdurch ließ sich Ahlimb einschüchtern und übergab gegen das Versprechen freien Abzuges die Festung ohne jeden Versuch der Verteidigung. Die Beute der Franzosen war nur gering, ihre Freude über die Einnahme der kleinen Bergfeste aber trotzdem außerordentlich. In Paris, wo man sie für eine der wichtigsten Festungen Deutschlands ansah, feierte man das große Ereignis durch ein Tedeum, freilich so verspätet, daß damals, wie ein Bericht hinzufügt, der Regenstein schon wieder in preußischen Händen war. Friedrich der Große geriet über die schnelle Übergabe in heftigen Zorn. Auf Ahlimbs Bericht schrieb er den Vermerk: „Sie haben sich gar nicht gewehret, also meritirten Sie vor Kriegsrecht gesetzet zu werden“. Ahlimb wurde kassiert. Die Franzosen legten auf den Regenstein eine Besatzung von 200 Mann, die der ganzen Umgegend überaus lästig wurde, da sie unaufhörlich Kontributionen eintrieb. Auch als nach der Schlacht bei Roßbach (5. November) die Franzosen die Gegend räumten, blieb der Regenstein noch von ihnen besetzt; sie flößten von dort aus der Einwohnerschaft Halberstadts eine solche Furcht ein, daß man nicht wagte, ein öffentliches Dankfest für den Sieg zu feiern. Am 25. November erließ dann Friedrich der Große an seinen Bruder, den Prinzen Heinrich den Befehl, durch den General Jungkenn, der in Aschersleben stand, das Halberstädtische von den Franzosen säubern zu lassen; er schließt mit den Worten: „et comme ils ont laisse garnisons d’ailleurs dans le chäteau de Reinstein ou Regenstein, Vous le ferez bioquer, afin de faire maison nette“. Prinz Heinrich bemerkt daher in seiner Instruktion für Jungkenn unterNo. 11: „Wenn es möglich ist, auf dem Regenstein oder sonsten zu tentieren, ist es mir lieb und könnte man alsdann den Regenstein besetzen, wenn es ein haltbarer Ort ist“. Trotzdem wurde in diesem Winter gegen den Regenstein nichts weiter unternommen, doch geriet schon damals die Besatzung durch Mangel an Proviant in große Bedrängnis. Anfang Januar 1758 gelang es aber den Franzosen, noch einmal bis Halberstadt vorzurücken, 121 000 Reichstaler an Kontribution zu erbeuten und dabei auch den Regenstein neu zu verproviantieren. Erst als am 8. Februar der Prinz Heinrich in Halberstadt angekommen war, kam ein frischerer Zug in die Kriegführung. Am 11. entsandte er das Regiment Salmuth nach dem Regenstein, um die Festung einzuschließen. Die übliche Tradition berichtet nun, daß die Preußen eine förmliche Beschießung der Festung eingeleitet hätten, ja man will sogar auf den Papenköpfen in der Nähe der Blankenburg-Halberstädter Chaussee noch die Spuren der Schanze erkennen, in welcher die zur Beschießung verwandten Kanonen aufgestellt waren. Gleich der erste Schuß soll dann so glücklich gewesen sein, daß er gerade das Brunnenrad zerschmetterte, so daß Wassermangel eintrat und die Festung kapitulieren mußte. Das scheint aber alles eine nachträgliche Ausschmückung zu sein; denn der damalige Adjutant des Prinzen Heinrich und spätere Generalleutnant Henckel von Donnersmark, der vom Prinzen Heinrich beauftragt wurde, den französischen Kommandanten des Regensteins, Oberstleutnant Baron von Stein, zur Übergabe der Festung aufzufordern und in seinen nachgelassenen Tagebuchnotizen ausführlichen Bericht darüber gibt, erwähnt hiervon nicht das Geringste. Er erzählt vielmehr, daß Stein schon vorher mit dem Halberstädter Kammerrat Dietrich Verhandlungen wegen der Übergabe angeknüpft und daher auf seine Aufforderung zwar zuerst noch einige Umstände gemacht, aber sich dann doch bald zur Kapitulation bereit erklärt habe. Damit stimmt auch der Bericht des Prinzen Heinrich an den König aus Halberstadt den 13. Februar 1758: „Mon tres eher frere! Apres avoir fait investir le Regenstein par le M^gor Anhalt du regiment de Kahlden avee le regiment de Salmuth j’ai fait Sommer le eommandant de se rendre prisonnier de guerre, ä quoi il s’est determine, et la garnison, eomposee d’un eapitaine, de trois offleiers et de 80 hommes, le tout eommande par le Lieutnant- Colonel Baron de Stein du Corps de Fiseher, est sortie de la plaee ; on y a repris les memes eanons, qui y etaient autrefois, mais d’ailleurs un grand amas de vivres. J’enverrai les prisonniers ä Magde- bourg et apres que le tout sera transporte, je ferai demolir la place selon les ordres, que vous en avez donnös ici ä la chambre“. Letzteren Befehl hatte der König offenbar gegeben, weil der Regenstein einer längeren Belagerung nicht mehr ge- wachsen war, dabei aber doch in Feindeshand, wie sich gezeigt hatte, unbequem genug werden konnte. Der Befehl wurde so eilig ausgeführt, daß schon am 26. Februar Prinz Heinrich melden konnte: Le Regenstein est entierement demoli, de Sorte que personne ne peut plus l’occuper. Bei dieser Schleifung verschwanden die Häuser und Baracken bis auf die Grundmauern, die Umfassungsmauern fast bis auf den Boden; der Regenstein wurde zum zweiten Male zur Ruine.
Zu neuer Blüte erweckte die verlassene Stätte erst das 19. Jahrhundert mit seinem gesteigerten Interesse für Naturschönheiten und historische Merkwürdigkeiten. In den zwanziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts begannen die Bewohner der benachbarten Ortschaften gern und häufig auf die Burg zu ziehen. Dem Bedürfnisse entsprechend fand sich bald eine fliegende Gastwirtschaft dazu. Da das Geschäft sich lohnte, wurde eine kleine Restauration erbaut, und jetzt erhebt sich oben ein weit ausgedehnter, gut geleiteter Gästhof, und der Regenstein selbst ist einer der besuchtesten Punkte des Nordharzes geworden. Der alles nivellierende Zug der Zeit hat auch den Regenstein ergriffen, und wo einst vor 700 Jahren aus ihren Steingemächern die Ritter trotzig die Ebene überschauten und dann vor 200 Jahren die Tritte der Schildwachen hinter den dicken Festungsmauern erdröhnten, da wimmelt jetzt an jedem schönen Tage eine froh gestimmte Menge von Besuchern jedes Standes und Lebensalters.
Bei der Betrachtung der baulichen Reste, die jetzt noch auf dem Regenstein erhalten sind, muß man unterscheiden zwischen den Resten der alten Ritterburg und der brandenburgischen Festung. Die Burgruine ist vom größten Interesse, weil sie das seltene Beispiel einer roh in den Felsen gehauenen mittelalterlichen Ritterwohnung darbietet. Nur spärlich sind die Reste und Spuren einer Nachhilfe durch Mauerwerk, da sich aus dem Sandsteinfelsen fast alle Räumlichkeiten ohne große Schwierigkeiten herausarbeiten ließen. Gerade darum hat die Burg auch so erfolgreich der Zeit trotzen können. Wenn man absieht von den gewaltsamen Veränderungen, die die Errichtung und Demolierung der Festungswerke mit sich brachte, und sich die modernen Einbauten wegdenkt, so stimmt ihr Aussehen noch jetzt völlig überein mit der Abbildung in Merians Topographie, und auch seine Beschreibung ist im großen und ganzen noch zutreffend. Durch einen Felsdurchbruch, der erst bei der Anlage der Festung durch den noch jetzt teilweise erhaltenen Torbau ersetzt wurde, gelangte man auf den freien Platz vor der Burg. Hier befanden sich eine ganze Reihe noch jetzt vorhandener in den Felsen gehauener Kammern, die als Pferdeställe und Wohnungen und Arbeitsräume für die Dienstleute gedient haben mögen. Hier liegt außerhalb der eigentlichen Burg auch das oben erwähnte Teufelsloch mit seiner interessanten Inschrift.
Außer dem, was oben aus Merian angeführt worden ist, weiß die Sage davon noch manches Wunderbare zu erzählen. Öfters soll man hier um die Mittagsstunde den Schall vieler Schellen oder das Gehämmer vieler Schmiede vernommen haben. Außerdem ist hier nach dem Glauben des Volkes der Eingang zu einem geheimen unterirdischen Gange, der entweder nach Blankenburg oder Michaelstein führen soll. Der eigentliche Burgfelsen war, so weit er nicht schon von selbst senkrecht abfiel, durch Mauern geschützt und von einem senkrecht in den Felsen eingehauenen Graben umgeben. Vom Mauerwerk haben sich nur einige Spuren erhalten, und auch der Graben ist jetzt größtenteils verschüttet oder verbaut und nur noch an einigen Stellen deutlich erkennbar. Um den Burgfelsen zu erreichen, mußte man über einige östlich davor gelegene Erhöhungen, in die jetzt die Wohnräume des Wirtes eingebaut sind, direkt nördlich bis zu einem Felsvorsprung ansteigen, von wo über den dort besonders breiten Graben nach links eine Zugbrücke hinübergeführt haben soll. Außerdem befindet sich ein auch jetzt noch deutlich erkennbarer, aber nur für Fußgänger bestimmter Eingang weiter südlich in der Nähe des Teufelsloches; erhalten ist hier der isolierte Anfang einer Felsentreppe, und in dem gegenüberliegenden, davon ehemals durch den Graben getrennten Felsen sind noch die Einhaue sichtbar, in die sich die Balken der Zugbrücke einfügten. Auch an anderen Stellen finden sich noch Spuren von ehemaligen Zugängen, so besonders im Felsen östlich des Bergfrits ein runder an seinem Boden nach außen sich öffnender Schacht (No. 13 in der auf dem Regensteine zur Orientierung des Publikums durchgeführten Numerierung der einzelnen Räumlichkeiten) und daneben eine offene Treppe. Beide reichen nur bis zur halben Höhe des Felsens hinab und mußten von unten auf Leitern erreicht werden, die in Zeiten der Gefahr entfernt wurden. Dicht neben der Treppe nach Osten zu ist in der Felswand ein von unten noch ziemlich deutlich erkennbares Wappen eingehauen, der preußische Adler mit einer unleserlichen Inschrift darüber und den Reinsteiner Hirschstangen darunter, wahrscheinlich ist es das S. 27 und 28 erwähnte. Der Hauptweg zur Burg führte teilweise untermauert direkt an dem steilen Nordabhange des Burgfelsens bis zu einem in den Fels gehauenen Gemache (No. 1). Wie allen anderen Felsengemächern weiß auch diesem die Tradition einen bestimmten Namen zu geben; sie nennt es die Wachtstube. Da sich diese Angaben zum Teil bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen lassen, ist es nicht unmöglich, daß sie neben vielem Phantastischen doch auch manche richtige Kunde bewahrt haben; jedenfalls erscheint es bei der Lage und Beschaffenheit des Gemaches nicht unwahrscheinlich, daß es wirklich zum Aufenthalte für einen Wächter gedient hat. Auf seiner Rückseite finden sich im Felsen die rohen Umrisse eines Knappen mit einer Partisane ausgehauen. Von hier gelangt man zu einem quer durch die ganze Breite des Burgfelsens gehauenen Durchgänge; an seinen beiden Ausgängen befinden sich noch Reste alten Mauerwerks. Westlich von seinem nördlichen Ausgange sieht man Spuren einer Treppe; sie führte zu einer weiter oberhalb belegenen und auch von oben von der Plattform des Felsens durch eine schmale Treppe zugänglichen Felsenkammer, dem sogenannten Fräuleinzimmer, das 1873 durch einen Blitzschlag zertrümmert worden ist. Auf der linken Seite des Durchganges, ungefähr in seiner Mitte, führt eine Öffnung in einen ziemlich weiten Raum, die alte Burgkapelle (No. 2). Unter allen Gemächern ist dieses das höchste und am sorgfältigsten herausgearbeitet. Die Öffnungen der Türen und Fenster zeigen regelmäßig ausgehauene Rundbögen. In der Mitte hatte man zur Stützung der Decke eine Säule stehen lassen. Im Osten, da wo der Fußboden um eine Stufe erhöht ist, stand der Altar (No. 2 a). 1736 wurde die Kapelle durch einen Blitzstrahl getroffen und die Säule herausgeschlagen, auch die Decke und das südöstliche Fenster zeigt Spuren der Zerstörung. Dem Eingange der Kapelle gegenüber blickt man rechts in einen ungefähr ebenso großen Raum (No, 3). Er ist wohl von Singelius mit dem neben den sacraria templi erwähnten theatrum gemeint. Später wird er, so schon von Merian und in dem Protokolle von 1662 als „Hofstube“, häufig auch als Eittersaal bezeichnet. Er mag in der Tat als Geschäftsraum und Versammlungssaal gedient haben. Sein Licht erhielt' er durch eine in der Nordseite befindliche Öffnung (No. 3 a); durch sie hat sich der Sage nach bei einem Überfall der Burg ein Graf in Betten eingenäht herabgelassen und so gerettet. Neben diesem Raume liegt ebenfalls rechts vom Durchgänge eine kleine mit mehreren Öffnungen nach Süden versehene Kammer, die in ihren Dimensionen und ihrer Anlage ziemlich genau der Wachtstube entspricht und von der Tradition als Zimmer des Burgvogts bezeichnet wird (No. 4 ), Hinter ihr tut sich noch mehr nach rechts ein weiter in den Felsen gehauener Raum auf, das sogenannte Zimmer der Burgfrau (No. 6). Aus dem südlichen Ausgange des Felsendurchganges heraustretend erblickt man links die Reste des alten Bergfrits (No. ll). Wie alle Baulichkeiten aus der Grafenzeit ist er aus Roggensteinen erbaut. Mehrfach von Blitzen getroffen ist er besonders auf der Südseite stark beschädigt und besitzt nur noch eine Höhe von 6 m. Sein äußerer Durchmesser beträgt 8,3 m, seine innere Weite 2,3m, die Wandstärke also 3 m. Von ihm führte nach Merlans Beschreibung „eine starke dicke Maure gegen Abend“, so daß sich damals neben der Kapelle noch ein umfangreicher geschlossener Raum befand. Die Mauer ist durch denselben Blitzschlag wie die Kapelle 1736 zertrümmert worden, doch ist ihr Ansatz am Turme und ihr Verlauf sowie die ehemaligen Türöffnungen am Boden noch deutlich zu erkennen. Die übrigen Teile des Geländes bis zum Steilabfall des Felsens bildeten den eigentlichen Burghof. Besonders interessant ist hier das ein wenig unterhalb des Bergfrits befindliche, erst 1876 wieder ausgegrabene Burgverließ (No. 10). Es besteht aus einem viereckigen Schachte , der in den Felsen abgeteuft ist und dessen Ecken in gewissen Abständen mit dreieckigen Steinkonsolen versehen sind, um darauf Leitern zu stellen und mittels dieser hinabklettern zu können. Durch Ausschachtung des lose eingefüllten Schuttes hat man eine Tiefe von 20 m erreicht. Ein zweites Burgverließ befindet sich in der Nähe des äußersten nordwestlichen Vorsprunges, des sogenannten „Verlorenen Postens“ (No. 7). Es ist ebenfalls ein viereckiger Schacht, der aber nur wenige Meter hinabreicht und sich an seiner Sohle nach Westen zu einem kleinen Gemache erweitert (No. 8). Der Sage nach soll hier im 13. Jahrhundert der König W aldemar der Große von Dänemark, als er durch den Grafen Heinrich von Schwerin gefangen genommen worden war, und im 15. Jahrhundert, wie schon oben erwähnt, ein Bischof von Merseburg gefangen gehalten worden sein. Nach Norden zu enthält es eine Öffnung, von deren Entstehung die Sage folgende rührende Geschichte zu berichten weiß.
Hier hielt einmal ein Burgherr ein edles Fräulein gefangen, weil sie sich seinem unedlen Ansinnen standhaft widersetzte. Da hörte sie einst, wie der Hagel gegen die Felsenwände ihres Gefängnisses schlug, und schloß daraus, daß diese nicht stark sein könnten. Mit einem kleinen Silberstückchen, dem einzigen, welches sie besaß, schabte sie so lange, bis eine Öffnung entstanden war, groß genug, um sie durchzulassen, und glücklich gelangte sie an den Fuß des Felsens und zurück zu den Ihrigen, die sich sogleich aufmachten, gegen den Regenstein zogen und ihn eroberten. In Wirklichkeit ist die Öffnung ein ziemlich regelrecht ausgehauenes gotisches Fenster, dessen Seitenwände allerdings stark beschädigt sind; vom äußersten Vorsprunge des Verlorenen Postens, da wo das Schutzgitter endigt, kann man es bequem betrachten. Auch an den Wänden des Gemaches sind verschiedene Zeichnungen roh eingehauen; sie zeigen kreuzartige Verzierungen, Rosetten und Punkte. Vom Verlornen Posten nach Süden zu ist die steil abfallende Felswand durch eine in den Felsen eingehauene wohl erhaltene Brustwehr gekrönt. Da wo diese endet, Anden wir wieder eine ganze Gruppe von Kasematten (No. 9 und 9 a). Am Eingange der einen (No. 9 a) beffndet sich das oben erwähnte W, das Zeichen der Wallensteinschen Besitzergreifung. Die Lage und Beschaffenheit der Räume deutet darauf hin, daß wir in ihnen wohl Küche, Keller und Vorratsräume zu sehen haben. Dagegen hat sich ein Brunnen bisher nirgends nachweisen lassen. Wahrscheinlich haben die Bewohner der Burg ihr Wasser im Tale unterhalb des Verlorenen Postens, dem sogenannten „Grünen Hofe“, geholt, wo Spuren einer Brunnenanlage noch jetzt erkennbar sind. Eine kleine Strecke rechts vom Durchgänge führte einst eine steinerne Treppe, an deren Stelle jetzt eine hölzerne getreten ist, auf den höchsten Teil der Felskuppe. Der noch zum Teil erhaltene Gipsestrich und Spuren von Mauerwerk aus Roggensteinen zeigen, daß hier oben in der Grafenzeit noch Gebäude, wohl die eigentlichen Wohnräume der Grafen, gestanden haben. Sie mögen sehr leicht, in der Hauptsache wohl nur aus Holz, hergestellt gewesen sein, so daß sie leicht völlig verschwinden konnten. Viel unbedeutender als die Reste der Ruine sind die Überbleibsel der brandenburgischen Festung. Die Festungsmauern sind überall fast bis auf die Sohle rasiert, doch sind wenigstens die Umrisse der Werke noch zu erkennen. Einigermaßen erhalten ist nur noch der Toreingang. Auch dieser war schon sehr baufällig und mußte 1864 renoviert werden. Dabei wurde über dem Eingänge auch der Stein mit dem Regensteinschen Wappen neu angebracht, der aber schon 1879 wieder herabfiel und neu ergänzt werden mußte. Als bei dieser Gelegenheit der Durchgang ausgeräumt wurde, kam auf der linken Seite ein Stein mit einem gut gearbeiteten Adler zu Tage, der allerdings jetzt durch den Einfluß der Witterung schon recht unansehnlich geworden ist; auch fand sich an dem Felsen die Stelle, wo die Haspen des inneren Tores gesessen hatten. Zur Festungszeit war das Tor stark befestigt; es bestand aus einem 100 Fuß langen überwölbten Gange, der mit 4 Torflügeln und einem pallisadierten Schlagbaum versehen war. Zu seinem Schutze waren rechts und links vom Torwege schon von Fargel, wie oben erwähnt, mit Benutzung der dort vorspringenden Felsen die Bastionen Scharfe Ecke und Fried richsburg angelegt worden, an deren Ecken starke Türme hervorragten. Gegen Osten wurde die Festung abgeschlossen durch die an die Friedrichsburg sich anschließende Bastion Friedrich- Wilhelmsburg. Hier mußte, um einen Abschluß zu gewinnen, erst ein tiefer Graben in die Felsen eingesprengt werden. Nach Beseitigung der einst die beiden Bastionen verbindenden Festungsmauer führt jetzt durch ihn der Weg nach den östlichen Teilen des Felsens. Das Volk hat seine ehemalige Bedeutung völlig vergessen und nennt ihn „die Reitbahn“. Östlich davon ist noch der Anfang einer Treppe zu sehen, ein Hinweis darauf, daß man zeitweilig beabsichtigte, auch den östlich der Friedrich-Wilhelmsburg gelegenen Abschnitt des Regensteins, der seine höchste Erhebung enthält, noch mit in die Festungswerke hineinzuziehen. Dicht neben dieser Treppe befindet sich das Bild eines Ritters mit erhobenem Schwerte. Auch das steile nach Süd westen hinabziehende Tal war durch eine starke Mauer, deren Ansätze auf der Südseite noch sichtbar sind, abgeschlossen, und zu größerer Sicherheit wurde fast in der Talsohle noch ein weiteres Bollwerk aufgeführt, der sogenannte „Grüne Hof“, dessen Umrisse man ebenfalls von oben noch deutlich erkennen kann. Erst in der späteren Festungszeit unter Friedrich Wilhelm I.wurde in der Mitte der Festung auf ihrem höchsten Punkte noch die Karlsburg erbaut, um von dort aus den Eingang noch sicherer zu beherrschen und die Bastionen Priedrichsburg und Scharfe Ecke bestreichen zu können. Besonders hervorgehoben wird in allen Beschreibungen der sofort 1671 unter großen Schwierigkeiten angelegte Brunnen. Seine Tiefe soll zwischen 600 und 700 Fuß betragen haben. Das Wasser, das als sehr kühl, klar und wohlschmeckend gerühmt wird, wurde mittelst eines Rades emporgehoben, in welchem 3 Männer gingen und dessen Welle 30/4 Fuß im Durchmesser hatte. Das Aufwinden des an einem starken Tau befestigten Kübels, der 40 Maß Wasser faßte, dauerte beinahe eine Viertelstunde und geschah täglich dreimal. Leider wurde von der Demolierung auch der Brunnen mit betroffen und bis zu einer Tiefe von
400 Fuß verschüttet. Da die Besucher des Berges sich ein Vergnügen daraus machten, Sand und Steine in den Schacht zu werfen, nahm seine Tiefe rasch ab, 1855 betrug sie noch 62 Fuß. 1858 wurde er, da das Mauerwerk oben nachstürzte, ganz zugeworfen.
Von den Räumen der alten Burg wurden zur Festungszeit nur wenige benutzt. Die alte Kapelle diente als Gamisonkirche. Alle 14 Tage hielt der 2. Derenburger Prediger hier Gottesdienst. Der freie Platz östlich der Kapelle (No. 12) scheint als Beisetzungsstätte für die Kommandanten und ihre Angehörigen gedient zu haben. Es sind hier in neuerer Zeit mehrere Grabsteine ausgegraben worden, darunter der des 1707 hier verstorbenen Kommandanten Valentin von Hünnecken. Das große jetzt ver- schwundene Gemach südlich der Kapelle brauchte man zur Aufbewahrung der Munition. Als aber 1786 der Blitz beide Räume vernichtet hatte, wurde 1737 in der Senkung zwischen Karlsburg und Friedrich - Wilhelmsburg eine neue Kirche und nicht weit davon ein neues Munitionsgebäude aufgeführt. Wie alle anderen Gebäude wurde auch die Kirche bei der Demolierung völlig abgetragen. Ihre Grundmauern sind vor einigen Jahren durch Grabungen des Wirtes wieder aufgedeckt worden, leider nicht zum Vorteil der Anlage, da die Steinquadern nun- mehr auch hier durch die Angriffe der vorbeipassierenden Besucher trotz der daneben stehenden Warnungstafel mehr und mehr herabgerissen und zerstört werden. Außerdem standen natürlich noch viele andere Gebäude auf dem Festungsterrain, vor allem die Kommandantur, die 1730 neu erbaut wurde, ein einstöckiges, aber stattliches Gebäude mit einem Erker, von dem man eine schöne Aussicht über Blankenburg genoß, und die Wohnungen der Offiziere, während die Soldaten mit ihren Familien teils in Baracken, teils in den alten, im Felsen befindlichen Kasematten wohnten. Erwähnt werden ferner noch ein Zeughaus und ein Wirtshaus. Letzteres scheint zugleich Brauhaus gewesen zu sein und wurde von einem auf beständigem Urlaub stehenden Unteroffizier, der auch Brauer war, verwaltet. Auf dem höchsten Teile der Festung stand eine Windmühle, last not least auf Bastion Friedrichsburg ein Galgen. Alle diese Gebäude sind fast spurlos verschwunden, nur bei der Kommandantur ist durch den noch sichtbaren Gipsestrich wenigstens die Stelle zu erkennen, wo sie einst gestanden hat.
Aus den Beschreibungen und den noch vorhandenen Abbildungen kann man sich ein ungefähres Bild machen, einen wie stattlichen und trotzigen Anblick die Feste einst dargeboten haben muß. Von der Nordseite ließen die Mauern, die in den Lücken und auf dem Haupte der Felsen sich noch erhoben, den ohnehin schon imponierenden Anblick der steil abstürzenden Felswand noch gewaltiger erscheinen, von Blankenburg aus gesehen fiel besonders die scharfe Ecke mit ihrem Turme und dessen Nebenbauten ins Auge, und fast ebenso sehr die Gegend der Karlsburg, wo der Turm der Kirche und die Dächer der übrigen Gebäude über die starken Mauern ins Land blickten. Das alles ist der Schleifung zum Opfer gefallen, und die wenigen Reste der alten Festungsmauern, die damals noch verschont geblieben sind, sind leider auch jetzt noch einer immer fortschreitenden Zerstörung ausgesetzt. Es wäre dringend zu wünschen, daß seitens der zuständigen Behörden Mittel und Wege gefunden würden, durch Festigung der obersten Quaderreihen der weiteren Zerstörung Einhalt zu tun.
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